Pferderatgeber
Das Abstreifen, Taktik oder fehlendes Gleichgewicht?
Es gibt physische und psychische Ursachen für das Abstreifen. (Einfach klicken zum Vergrößern)Wenn ein Pferd versucht, seinen Reiter an der Reithallenbande, an Zäunen oder an Büschen und Bäumen abzustreifen, dann kann das für den Reiter nicht nur sehr unangenehm werden, sondern es entsteht auch ein materieller Schaden an Sattel und Bekleidung. Bei ausgeprägten Abstreifern besteht zudem eine erhebliche Verletzungsgefahr für den Reiter durch Anschlagen der Knie oder Stürze.
Begriffsdefinition Abstreifer
Ein Pferd, das seinen Reiter abzustreifen versucht, drückt sich seitlich an ein festes Hindernis wie beispielsweise eine Wand. Dabei wird das zwischen Wand und Pferdebauch befindliche Bein des Reiters eingeklemmt. Nur in wenigen Fällen ist dies ein zielgerichtetes Verhalten des Pferdes, um sich so seines Reiters zu entledigen. Dann können auch deutliche Schenkelhilfen und Einsatz der Reitgerte das Verhalten nicht unterbinden. Häufiger geschieht das Entlangstreifen an der Reithallenbande aber aus anderen Gründen wie mangelndem Gleichgewicht oder fehlerhaften Schenkelhilfen durch den Reiter, was in diesem Fall nicht als Verhaltensproblematik seitens des Pferdes zu beurteilen ist, sich aber durchaus zu einer solchen weiterentwickeln kann.
Verhaltensbeschreibung
Wird die Verhaltensproblematik des Abstreifens nicht in ihren Anfängen bereits erkannt und korrigierende Maßnahmen ergriffen, dann kann das Pferd diese Vorgehensweise intensivieren, sodass einerseits der Druck gegen die Wand größer wird und andererseits in einem schnelleren Tempo versucht wird abzustreifen. Zeigt ein Pferd das Abstreifen im Gelände, dann biegt es im Extremfall im flotten Galopp vom Weg in den Wald hinein ab und galoppiert dicht an den Baumstämmen vorbei.
Psychische Ursachen für Abstreifen
Bei den wenigsten Pferden ist das Abstreifen ursächlich auf eine mentale Ursache zurückzuführen. Es kann sein, dass das Pferd sehr schlechte Erfahrungen mit dem Menschen gemacht hat und deshalb jeglichen Respekt und jedes Vertrauen verloren hat. Es lässt sich dann nur schwer davon abbringen, den Reiter abzustreiben. Von Schenkelhilfen oder der Gerte lässt es sich nur wenig beeindrucken. Es behält dann auch die Richtung bei, wenn sogar die Kopf-Hals-Partie herumgezogen ist. Dieses Verhalten ist nur schwer zu korrigieren, da ein Vertrauensverhältnis zum Pferd aufgebaut werden muss. Primär führen jedoch physische Ursachen oder Ausbildungsfehler zur Entwicklung des Verhaltens, das später auch auf mentale Unzufriedenheit hin gezeigt werden kann. Diese Unzufriedenheit kann durch nicht genügend oder auch zu hohe mentale Auslastung hervorgerufen werden. Hat das Pferd schlechte Erfahrungen mit dem Sattel, dem Reiter oder bestimmten Örtlichkeiten gemacht, dann tritt das Verhalten regelmäßig in diesen Situationen auf. Als weitere Ursache kann es vor allem bei rangniedrigen Pferden vorkommen, dass sich das Abstreifen aus dem Ausweichen vor entgegenkommenden Pferden in der Reitbahn entwickelt.
Physische Ursachen für Abstreifen
Der falsche oder ein falsch sitzender Sattel können Ursache für Abstreifen sein.Fühlt ein Pferd sich nicht wohl, dann kann es durch Abstreifen versuchen, sich des unbequemen Gegenstandes zu entledigen. Dies betrifft vor allem einen unpassenden Sattel, der Satteldruck verursachen kann, oder schlichtweg falsches Satteln, wodurch Druck- und Scheuerstellen entstehen. Auch wenn sich der Trainingszustand oder Fütterungszustand eines Pferdes verändert kann sich die Sattellage durch Veränderungen in der Muskulatur- und Fettverteilung ändern. Insbesondere junge Pferde in der Wachstumsphase und ältere Pferde ab etwa 15 Jahren verändern sich in der Sattellage. Neben dem Sattel kann auch der Reiter unbequem werden, wenn er schräg sitzt, das Gleichgewicht nicht hält oder unsachgemäße Hilfen gibt.
Fehlendes Gleichgewicht ist bei Pferden häufig der Grund dafür, dass sie nach außen drängen. Durch den Reiter verlagert sich der Schwerpunkt des Pferdes weiter nach hinten. Wenn eine Kurve geritten werden soll, wird es für das Pferd noch schwieriger. An der Außenseite muss es längere, an der Innenseite kürzere Schritte machen. Passt sich das Pferd nicht an die neuen Begebenheiten an, kann das zu Krankeiten in Rücken und Beinen kommen. Das Pferd muss also beim Reiten wissen, wie es sein Gewicht anders verlagern muss, um nicht aus der Balance zu kommen. Das ist oft bei jüngeren Pferden nicht der Fall, die die Balance unter dem Gewicht des Reiters noch nicht gefunden haben. Das Tier kann dann durch das Gewicht des Reiters die Spur nicht halten und es schleudert vor allem bei engen Wendungen nach außen, um Halt an der Begrenzung zu finden. Eine entsprechende Ausbildung kann dem Pferd dabei helfen, die Spur auch mit Reiter zu halten. Es sollte jedoch schon als Jungtier toben und spielen, um die beste Haltung selbst zu lernen.
Tipps für das richtige Verhalten
Eine normale Reaktion eines Reiters ist es, zu versuchen, das Pferd von der Außenbande wegzulenken, indem die Innenzügel verkürzt werden. Das führt aber nur selten zum gewünschten Ziel, da unerfahrene und unbalancierte Pferde dabei noch mehr verunsichert und nach außen geschleudert werden. Pferde, die den Reiter absichtlich abstreifen wollen, lassen sich davon erst gar nicht abbringen. In diesem Fall muss das Pferd davon abgehalten werden, die Führung zu nehmen. Dafür muss der Reiter mit dem Außenzügel die rechte Schulter begrenzen, den Außenschenkel verwahrend hinter den Gurt legen und die Hinterhand begrenzen. Mit den Beinen wird das Pferd eingerahmt um ihm so die gewünschte Richtung vorzugeben. Dies hilft auch unbalancierten Pferden, wieder in die richtige Spur zu kommen.
Ausbildungsfehler als Ursache
Beim Reiten mit Reiter muss das Pferd sein Gewicht anders verlagern, um die Balance nicht zu verlieren.An dieser Stelle sind im Rahmen der Ausbildung entsprechend klassischer Ausbildungsskala vor allem das Geraderichten und die Durchlässigkeit zu nennen. Werden diese Punkte vernachlässigt, dann kann es dem Pferd schwer fallen in engen Wendungen das Gleichgewicht zu halten, sodass es unbeabsichtigt die Reitbahnbegrenzung streift. Mangelt es an Durchlässigkeit, dann werden Schenkelhilfen nicht wie vorgesehen umgesetzt, sodass es beim Verlassen der vom Reiter beabsichtigten Linie wiederum zum Kontakt mit der Bande kommt. Aus diesen Ausbildungsversäumnissen entwickeln manche Pferde eine Strategie, sodass sie Überforderung in der Ausbildung mit Abstreifen quittieren, um sich dem Druck zu entziehen. Gleichsam kann eine zu kurze Aufwärmphase vor dem Reiten enger Wendungen eine Überforderung mit der gleichen Konsequenz des Abstreifens darstellen.
Maßnahmen zur Verhaltenskorrektur
Die erste Maßnahme zur Verhaltenskorrektur ist es, die Ursache zu beheben (siehe vorangegangene Abschnitte). Konnte die Ursache behoben werden, die zur Entwicklung des Verhaltens führte, muss häufig dennoch die Symptomatik des Abstreifens abtrainiert werden, die nun häufig weiterhin besteht. Durch ziehen am Innenzügel und Einsatz der Reitgerte kann beharrliches Abstreifen nicht effektiv verhindert werden. Nur durch erhöhte Wachsamkeit seitens des Reiters und eine bessere Führung durch konsequente Hilfengebung kann an dem Verhalten gearbeitet werden. Je nach Ursache wird zu den jeweiligen Ausbildungsschwerpunkten zurückgekehrt, um schlussendlich eine höhere Durchlässigkeit beim Pferd zu erreichen. Mit verbesserter Rittigkeit und einem intakten Vertrauens- sowie Respektverhältnis zwischen Reiter und Pferd kann die Problematik des Abstreifens so langfristig ausgeräumt werden.
Um das Abstreifen zu beheben, müssen also erst die Ursachen gefunden und anschließend das Verhalten selbst geändert werden. Wichtig ist, viel Geduld und Verständnis für das Pferd zu haben. Dann steht dem sorglosen Reiten bald nichts mehr im Weg.
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